Der richtige Mix zum ewigen Glück: Gehirnplastizität und Neuro-Enhancement: Ein Expertenvortrag im LK Biologie
Der richtige Mix zum ewigen Glück: Gehirnplastizität und Neuro-Enhancement: Ein Expertenvortrag im LK Biologie
Verfasst von U. Scherberich am .
Natürlich erkennen die Schüler/innen sofort die neongrünen Strukturen als Netz der Neuronen (Nervenzellen) im Gehirn, aber „es sind diese kleinen blauen Zipfelchen, die bahnbrechende Erkenntnisse im letzten Jahrzehnt brachten“ erklärte Frau Dr. Saskia Nagel von der Universität Osnabrück. Dabei zeigt sie in ihrer PowerPoint Präsentation auf kaum sichtbare Strichelchen. Als Wissenschaftlerin der Neurobiologie und Philosophie forscht sie über Plastizität des Gehirns und Neuro-Enhancement mit der Fragestellung ethischer und sozialer Dimensionen.
Was zunächstsehrtheoretischklingtveranschaulichte die jungeForscherinderForschungsbörse in einemspannenden und praxisorientiertenVortragimLeistungskursBiologie. GaltbisvorwenigenJahrennochdas Dogma, dass die Nervenzellensichnichtregenerierenkönnen und die verschiedenenAreale des GehirnsbestimmtenAufgaben fest zugeordnetsind, weiß man heute, dassdasGehirnallesanderealsstatischist. Jeder „Input“, jedesHandeln, Wahrnehmen, Erfahren und Lernenändert die GehirnstrukturdurchNeubildung von ZellenoderVerbindungenbzw. derenModifikation. „Musizieren, Stress, Computerspiele, Bewegung-alleshinterlässtSpurenimGehirn“ so die Wissenschaftlerin. Das SpielenbestimmterMusikinstrumentewieGeige und KlavierkönnebestimmteHirnarealevergrößern, die u.a. für die Feinmotorikverantwortlichseien. „Konkretbedeutetdas, dassSie (gemeint war eineSchülerin, die Geigespielt) vermutlichbesser in derallgemeinenFeinmotoriksindalsihrNachbar – abernichtnurdarin, dennesgibtTransfereffekteaufandereLeistungen“verdeutlicht Nagel. Blinde, die Brailleschriftlesen, nütztendazu den Cortexbereich, dereigentlichfürdasSehenverantwortlichsei, einBeispieldafür, dassbestimmteArealeandereFunktionenübernehmenkönnten. Die außergewöhnlicheFähigkeiterkläresichausderNutzungeinesgroßen, beiBlindensonstnichtnutzbarenHirnbereiches. „Und selbstneueFähigkeiten, die imGehirnnichtangelegtsind, könnengebildetwerden“erklärt Nagel an einemneuenVersuch in ihremInstitut, beidemMenscheneinOrientierungssinnantrainiertwurde. Am RandestreutesieimmerwiederpraktischeTippseinwie„Laufenregt die Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese)an“ und „Musizieren und Schlafensindpositivfürjede Form des Lernens“während„schon 6 WochenImmobilität z.B. durcheinenGips“Teile des Hirnsschrumpfenlasse. Wo die GrenzenderFormbarkeit und Fähigkeiten des Gehirnslägen, seinochvölligunklar war dasResümee des erstenTeilsihresVortrages.
Weiter ging es mit dem inzwischen weit verbreiteten Neuro-Enhancement, der Erweiterung und Steigerung von Fähigkeiten Gesunder durch Medikation oder anderer Methoden, die ursprünglich zu Heilung Kranker dienten. Insbesondere das breite Angebot von Psychopharmaka zur Steigerung der kognitiven Fähigkeiten stand dabei im Fokus. „Diese Enhancer sind inzwischen in den Köpfen der Öffentlichkeit angekommen“ und erfreuten sich einer zunehmenden Beliebtheit auch bei Schülern und Studenten, zeigte die Osnabrückerin an ihren empirischen Daten. Die spannenden Fragen aber waren am Ende: Gibt es das Glück aus der Pille, die Kognition nach Belieben? Nähern wir uns mit einem Drogenmix der Erfüllung des alten Menschheitstraums nach ewigem Leben, steter Glückseligkeit, unbegrenzter Leistungsfähigkeit und totaler Selbstbestimmung? Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen, was dient dem Wohlbefinden des Menschen, wo entstehen Zwänge, und ist der Mensch am Ende nicht mit seiner Qual der Wahl überfordert? Letzteres durften die Schüler in einem kleinen gedanklichen Selbstexperiment durch die Vorstellung ihres persönlichen Enhancercocktails ausprobieren.
Zum Schluss wurde deutlich, dass alle Forschung und aller Fortschritt uns auffordern, eine kritische Haltung dazu einzunehmen, die das Wohl des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Mit Temperament und Engagement zeigte Saskia Nagel nicht nur einen Querschnitt ihrer vielseitigen Tätigkeit, sondern machte die Schüler auf wissenschaftliches Arbeiten und den philosophischen Blick über den rein naturwissenschaftlichen Tellerrand neugierig. Die vielen Fragen der Zuhörer, Konzentration über 90 Minuten auch ohne Enhancer sowie ein starker Applaus haben sicher auch Spuren in unseren Gehirnen nach dieser Biostunde hinterlassen.
Ein Dank vom LK 13/Q2 Biologie gilt Frau Nagel, die für diesen Vortrag eine zweistündige An- und Abreise in Kauf genommen hat.
Die Forschungsbörse ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und vermittelt Experten und Expertinnen unterschiedlicher Disziplinen an Schulen mit der Sekundarstufe II und Volkshochschulen, um den wissenschaftlichen Dialog zu fördern.
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